|
FOTO: Klaus Dieker
Rheinische Post, 22. September 2015, Moers
Hayden Chisholm (links) mit Daniel Cross (Mitte) Tim Isfort (rechts) begeistern im ehemaligen Maschinenhaus von Schacht IV ihr Publikum.
Stadtmusiker auf Kultour in der Grafenstadt
Hayden Chisholm, der aktuelle Improviser in Residence, spielte am Sonntag gleich zweimal innerhalb kürzester Zeit in Moers auf. Von Olaf Reifegerste
Seit 2009 gibt es sie, die Veranstaltungsreihe "KulTour mit Siggi" des SPD-Bundestagsabgeordneten Siegmund Ehrmann, in der zweimal jährlich Konzerte sowohl in Krefeld als auch in Moers stattfinden. Ehrmann ist nicht nur Kulturpolitiker, sondern auch Kulturliebhaber und insbesondere ein Freund der Musik, gleich welcher Art. Am Sonntag war sein jüngstes Tour-Konzert im Maschinenhaus der ehemaligen Förderanlage Rheinpreußen von Schacht IV zugleich gekoppelt mit der Veranstaltungsreihe "Stadt Land Fluss Kultur" (SLFK Vol. II) am Niederrhein. Auf Initiative von Rüdiger Eichholtz, dem Kurator dieser Reihe, traf der SLFK-Residenzkünstler Daniel Cross aus den Niederlanden auf den derzeitigen Residenzkünstler von Moers, den Neuseeländer Hayden Chisholm. Mit Tim Isfort, als Drittem im Bunde, begegneten sich drei Weltreisende und Grenzgänger erstmals zu einem gemeinsamen Konzert improvisierter Musik.
"Diese Konzert-Matinee entführte uns in eine neue Klangwelt", schwärmte Ehrmann anschließend, obwohl es anfangs gar nicht danach aussah, denn draußen fand parallel dazu ein Biker-Treffen, der "2. Moerser Kids Ride", mit einem Großaufgebot an Motorrädern statt. Doch die drei Ausnahmemusiker verstanden es, die zuweilen auftretenden Harley-Geräusche in ihren Sound intelligent einzubeziehen. Schon der Konzert-Beginn des in Utrecht lebenden Perkussionisten Daniel Cross war ein großes Hörerlebnis. Mit seinen Sticks bearbeitete er Bongotrommeln derart, dass seine Schläge im Rhythmus eines Glockenspiels, unterstützt durch Elektronik und den Hall des Maschinenraums, dem Klang von läutenden Kirchenglocken gleich kamen. Doch mit Änderung des Zusammenspiels zwischen Elektronik und den akustischen Perkussionsinstrumenten, wurde aus der anfänglich sakralen Atmosphäre schnell ein Bezug zum örtlichen Industriedenkmal hergestellt. Cross sucht in seinem Schaffen das Unbekannte in den Musikwelten, ob E- oder U-Musik, Elektronik oder Akustik, Tradition oder Avantgarde. Nicht minder unrastig und experimentell veranlagt geht der gebürtige Neuseeländer Hayden Chisholm als einer der innovativsten Altsaxofonisten Europas vor. Seit Jahresbeginn ist er "Improviser in Residence" in Moers.
Zur Schaffung eines weiteren klangdramaturgischen Höhepunkts setzte er in Schacht IV umwerfend virtuos sein Instrument und völlig unkonventionell seine Stimme ein. Mit Obertongesang und einem Ad-hoc-Vortrag ungeordneter englischsprachiger Zahlenkolonnen forderte er seine Mitspieler zu einer Zäsur ihrer Improvisation heraus. Tim Isfort, Bassist, Komponist und Arrangeur und ein musikalisch ebenso Weltreisender wie Grenzgänger, nahm als erster die neue Klangfarbe als Herausforderung an und variierte diese durch Tempobeschleunigung und Lautstärkeregelung zum konzertanten Finale hin. Dieses wiederum übernahm erneut der Niederländer Cross, der sein Schlagwerk nicht sitzend, sondern förmlich begehend einnahm, um einen nicht enden wollenden, teils penetrant anmutenden, echohaften bis spacig klingenden elektronischen Grundton zu erzeugen, bei dem der Eindruck im Raum entstand, dass diese Klangwelt in ein neues Universum führt. Magisch zogen Chisholm, Cross und Isfort ihr Publikum in Bann, dann war das einstündige einaktige Klangschauspiel zu Ende. Unglaublich aber wahr, kamen hier drei Ausnahmekünstler zusammen, die nur voneinander wissend, ungeprobt und mit wenigen Verabredungen auskommend, ein grandioses Konzert lieferten. Die Besucher quittierten es ihnen mit lang anhaltendem Beifall.
|