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Rheinische Post, 03. Oktober 2016, Neukirchen-Vluyn
Pianospiel wie frischverliebte Schmetterlinge
Neukirchen-Vluyn. Um es vorwegzunehmen: Julia Kadel erfüllt den Ruf, eine Ausnahmepianistin zu sein, voll. So wie sie das studierte Instrument in ihrer musikalischen Sparte zum Einsatz bringt, findet man hierzulande nicht viele vergleichbare Spieler. Und als 30-Jährige hat die Berlinerin noch Luft nach oben. Diese These unter Beweis gestellt, hat sie am Freitagabend mit dem Konzert "Unerhört" in der Kulturhalle Neukirchen-Vluyn. Damit beginne der letzte Durchgang der "Muziek Biennale", so Rüdiger Eichholtz vom Ruhrorter "Lokal Harmonie". Am Samstag gastierte die Künstlerin mit demselben Solo-Programm im Moerser Martinstift.
Von Olaf Reifegerste
Kadel spielte eigene Kompositionen ebenso wie Improvisationen - teils notiert, teils frei, mal sitzend, mal stehend - alles im Wechsel, je nachdem. "Es ist immer eine Mischung von Klangbildern, die ich spiele", sagte sie, "bestehend aus solchen, die mir gerade in den Sinn kommen, solchen, die dem Ort entspringen, wo ich gerade bin und solchen, die ich vorbereitet komponiert habe.".
Bei ihrem filigranen Spiel schwebten ihre schlanken Hände und zarten Finger geradezu wie zwei frischverliebte Schmetterlinge über die Tastatur hin und her - exakt den genauen Ton treffend und den gewünschten Klang erzeugend, mal lyrisch erzählend, mal stoisch pulsierend, mal antipodisch dialogisierend. Ihr Konzertvortrag glich einer musikalischen Lektüre, von Form und Inhalt her der Poesie, Prosa und Dramatik vergleichbar.
Die zwölf Stücke ihres einstündigen Konzertes, darunter "Nicht Bleiben" vom Album "Im Vertrauen" (2014) sowie "Herbstwoche", "Elegia", "Hello Sadness" und "Schichten der Nacht" vom nagelneuen Album "Über und Unter", plus einer frei improvisierten Zugabe, begeisterten die aufmerksamen Besucher, die zusammen mit der Pianistin auf der Bühne Platz genommen hatten.
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