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Fotos: Stefan Pieper
nrwjazz.net, Text: Stefan Pieper
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Off the beaten track |
Melt Trio im Lokal Harmonie
Duisburg, 14.02.2017 | Moritz Baumgärtner, Schlagzeuger vom Melt-Trio hatte sich für seine Bühnenmoderation etwas in die Historie der Aufführungs-Location eingearbeitet: „Früher soll es in diesem Viertel hier mal über 100 Kneipen gegeben haben“. Kaum vorstellbar heute in Duisburg-Ruhrort, einem kleinen Stadtteil, der vom Rheinhafen regelrecht umzingelt wird und bei dem der Strukturwandel im Ruhrgebiet gnadenlos zugeschlagen hat. Der rauhe Charme dieser Gegend ist – ebenso wie die Anreise zu diesem etwas entlegenen Außenposten im Ruhrgebiet – allemal spannend. Ausgelöst hat die Fahrt nach hierhin der Name einer Band, um die man in Sachen progressivem Gitarrenjazzrock definitiv nicht herum kommt! Und dass das Lokal Harmonie im letzten Jahr mit dem Spielstättenpreis APPLAUS bedacht wurde, lässt ebenfalls erwarten, dass hier Macher am Werk sind, die wissen, was sie tun und wollen...
Unauffällig gibt sich das Lokal nach draußen. Drinnen herrscht umso mehr Behaglichkeit mit Sofas, nostalgischen Leuchtern, einem alten Klavier in der Ecke. Es ist erwartungsgemäß nicht voll an diesem Sonntagvorabend. Ist dieses musikalische Reiseziel „off the beaten“ track zurzeit noch zu exotisch? Rüdiger Eichholtz und Wolfgang van Ackeren wollen den Jazzbetrieb auf jeden Fall hier wieder regelmäßig ankurbeln.
Wer trotzdem hier ist, wird Teil jener etwas verschworenen Intimität, die gerade an solchen Orten aufkommt. Es beginnt fragil, vielleicht sogar eine Spur zu introvertiert - was im Fall des Melt-Trios an diese typischen „Shoegazer“-Rockbands der 90er denken lässt. Aber Peter Meyer und Bernhard Meyer an Gitarre und Bassgitarre betrachten nicht ihre Schuhe, sondern kontrollieren die Effektgeräte, um ohne Kompromisse Sound zu machen. Was ihre Zuhörer auf Anhieb in Zustände dichter musikalischer Konzentration hinein zieht. Dissonanzharmonien sind das Rohmaterial. Die Band bringt damit einen Berge versetzenden Spielfluss in Gang, der nur einige wenige Male für Zwischenapplaus innehält. Extrem konsistent ist der gemeinsame Nenner dieser drei. Bassist und Schlagzeuger gehen nicht minder in dichter Kollektivimprovisation auf. Die hohe Kunst dieses Trios besteht darin, derart in emotionale Tiefendimensionen vorzudringen, dass man sich immer wünscht, den „Hörfilm“ gerade mal kurz anzuhalten, damit der Moment nie vergehe. Klar – es sind Referenzen im Spiel. Etwa der sphärische Dissonanzen-Kosmos bei Sonic Youth, die Sprödigkeit von Postrock-Bands wie Tortoise, oder die pychedelischen Klangbretter von Bands wie Mogwai. Aber das Melt-Trio geht von solchen Referenzpunkten aus, um mit viel eindringlicher melodischen Präganz die Gegenwart zu erstürmen. Nicht selten lebt eine hochkultivierte Jazzidiomatik, die sich aber einmal nicht aus den Standard-Quellen nährt. Musikalische Formen tief verstehen, diese virtuos und in neue Kontexte setzen – das haben die Berliner mit Ludwig van Beethoven gemein, der ein Streichquartett schuf. Welches wiederum Pate für ein Stück des Melt-Trios stand.
Das Goethe-Institut hatte das Melt Trio soeben nach Südasien gebracht. Von Konzerten in Indien, auf Sri Lanka und in Pakistan nahmen die drei viele aufschlussreiche Eindrücke mit nach Hause mit. Viele – oft deutlich jüngere Hörer als hierzulande – erlebten sehr unmittelbar diesen frischen Kulturexport aus deutschen Landen. „Das Publikum reagierte sehr unmittelbar auf unsere Musik. Wir haben verblüffende Schnittstellen zwischen unserem Sound und der traditionellen Musik etwa in Pakistan erkannt“ weiß Bernhard Meyer hinterher im Gespräch zu erzählen. Hier wie dort laufen vertrackte unregelmäßige Rhythmen und viel improvisatorische Fantasie auf musikalische Trancezustände hinaus. Dieses Wort kommt vom lateinischen transire, das meint den Übertritt von einem Zustand in den nächsten oder von einem Ort zu einem anderen. Wozu auch die Reise ins abgelegene Duisburg-Ruhrort an diesem Abend allemal gehörte!
Peter Meyer – guitar | Bernhard Meyer – bass | Moritz Baumgärtner – drums
Infos unter: www.melttrio.de,
http://www.lokal-harmonie.de/
CD-Rezension des aktuellen Albums "Stroy" unter
http://www.nrwjazz.net/jazzreports/2016/Melt_Trio___Stroy_/
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