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Musik- und Tanzimprovisation gab es in der VHS im Rahmen der Musikbiennale. Foto: Ja/Christoph Reichwein (crei)
Rheinische Post, 25. Sept. 2018, Neukirchen-Vluyn
Eine Performance aus Musik und Tanz
NEUKIRCHEN-VLUYN Die Muziek Biennale machte in Neukirchen-Vluyn Station. Die Künstler stammen aus Israel, Litauen und Deutschland.
Von Petra Riederer-Sitte
Unter dem Motto „Verboten“ feiert die Muziek Biennale Niederrhein ihre sechste Ausgabe. Um ihrem Anspruch als „musikalische Denkfabrik“ gerecht zu werden, wagt sie auch in diesem Jahr „den Spagat“ und bietet Aufführungen, bei denen die Musik „aktuelle Fragestellungen und Aspekte aus Kultur und Gesellschaft“ einbindet. Als Paradebeispiel für diese Intention kann die Musik-Text-Tanz-Veranstaltung „Reconnection“ gesehen werden, die an mehreren Aufführungsorten zu erleben war, darunter auch in der VHS und Musikschule Neukirchen-Vluyn
Ausgehend von der Tatsache, dass die jüdische Kultur Litauens und die politische Aufarbeitung dieses „verdrängten Kapitels der Landes-Historie“ bei der jüngeren Generation auf wenig Interesse stößt, wollte das Projekt eine Wiederanbindung („Reconnection“) an aktuelle Kulturimpulse anstoßen. Mit dem Bassisten Achim Tang, dem Saxofonisten André Meisner und mehreren Tänzerinnen hatten sich Künstler aus der Region Niederrhein sowie aus Litauen und Israel schon im Vorfeld der Muziek Biennale zu einer thematischen Auseinandersetzung getroffen, um sich dann im Arbeitsprozess dem Thema „Verboten“ zu nähern und Performances aus improvisierten Text- und Klangpassagen sowie choreographischen Elementen zu entwickeln. Die Teamarbeit sei sehr positiv verlaufen, berichtete die Gruppe, auch wenn es anfangs keine Vorstellung zu dem gemeinsamen Projekt gegeben habe. Den roten Faden, der sich durch den Abend zog, lieferte vom Tonband eine Textstelle aus Martin Bubers „Erzählungen der Chassidim“: Was bedeutet das, was die Leute sagen: „Die Wahrheit geht über die ganze Welt?“.
Es bedeutet, dass sie von Ort zu Ort verstoßen wird und weiterwandern muss.“ In Bruchstücke auseinandergenommen und immer wieder neu zusammengesetzt war der von Rupert Seidl gelesene Satz immer präsent und begleitete die rund 20 Zuschauer durch ihre Ratlosigkeit und ihr Befremden, ihre Neugier und ihre persönlichen Entdeckungen. Zu den Klängen von Bass und Saxofon, mal einsam und karg, mal im vorsichtigen Versuch eines instrumentalen Dialogs, bewegten die Tänzerinnen sich im Raum, wirbelten zur immer wilder werdenden Improvisation der Instrumente derwischartig umher. Ein Standbild aus Figuren wechselte mit einer phantasievollen Hochzeitsszene, eine kindlich anmutende Würfelspielszene leitete den Abgang ein.
Als unverzichtbare Komponente der Aufführung erwies sich die anschließende Diskussion, die zeigte, dass jeder etwas anderes gesehen hatte. Eine Besucherin bewunderte die „irre schönen Klänge“, die Samirah Al-Amrie auf der Handpan gezaubert hatte, andere deuteten die Würfelszene „als das Würfeln um den Rock Jesu“. Mehrere fühlten sich von der „positiven Energie“ gefesselt. Mit den Reaktionen waren die Akteure sehr zufrieden. „Wir haben hart gearbeitet“, versicherte Achim Tang. „Und wenn wir es geschafft haben, dass zwei oder drei oder vier etwas mitnehmen, dann ist das toll“.
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