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Kunstausstellung im Industriemuseum Schacht IV
Schläft ein Lied in allen Dingen . . .

Von der Stirne heiß, rinnen muss der Schweiß, schillert es in des deutschen Dichters Ballade von der Glocke. Über zweihundert Jahre und mehrere industrielle Revolutionen später macht sich auf den wenigen Groß-Anlagen, die den Strukturwandel überlebten, kaum ein Arbeiter noch die Hände schmutzig. Ja, immer komplexere Arbeitsvorgänge werden auf zusehens kleineren Computer-Chips programmiert und machen Knochenarbeit überflssig.

Was erleben also Künstler im Jahr 2003, wenn sie Gelegenheit bekommen, das Innere eines Hüttenwerks kennen zu lernen? Vor zwei Jahren brachen ihrer acht auf in den Bauch des Hüttenwerks Krupp-Mannesmann (HKM) Duisburg, und zeigen nun im Industriemuseum Schacht IV, was sie bei ihren Erkundungen heraus forderte, erstaunte und berührte. Die Kunstwerke von Rüdiger Eichholtz und Jens-Peter Fuhse sowie Mirco Götz, Jürgen Heinrich, Johannes Maurer, Christian Roskothen-Swierzny und Wolfgang A. Schlieszus waren im letzten Sommer im HKM erstmals ausgestellt und treten nun ab 24. April in einen neuen Dialog mit der imponierenden Maschinen-Generation und Industriearchitektur der jüngeren Bergbau-Historie.

Dass es den Künstlern nicht um die bloße Abbildung und Bebilderung eines Industrie-Komplexes sondern um seine ästhetische Transformation geht, wird bei der Betrachtung ihrer Arbeiten deutlich.

Der Ideengeber Rüdiger Eichholtz erlag bei einer Besichtigung dem besonderen Reiz der HKM-Kulisse und steckte mit seiner Begeisterung befreundete Künstler an, die wie er an der Fachhochschule Ottersberg studiert hatten. Jene Zeichen und Zahlen, Buchstaben und Worte, die er über das Gelände verstreut fand, hatten für ihn die Aura einer Geheimsprache, die er gar nicht entschlüsseln wollte. Eichholtz fotografierte diese Botschaften mit Kreide auf rostige Metallflächen gemalt, mit Leuchtfarbe durch Schablonen gespritzt, ungelenk hingeschrieben und überrascht den Betrachter mit spröde-poetischen Farbaufnahmen. Ganz das Eichendorffsche Zauberwort das es nur zu treffen gelte, um jenes Lied zum Singen zu bringen, das in allen Dingen schläft findet auch Jürgen Heinrich.

Er fühlte sich in die inneren Strukturen der Industrie-Anlage hinein und übersetzt sie in sensible Strich-Gespinste: Geruch, Haut, Atem und Körper des Stahls. Den Werkstoff Stahl erproben Wolfgang A. Schlieszus und Christian Roskothen-Swierzy. Wie er sich verwandelt, zeigt Letzterer in einer Serie von Stahlplatten, deren Oberfläche und Stofflichkeit variieren. Ersterer verformt spielerisch große Stahlbleche zu Reliefs. Den Produktionsprozessen und seinen Gesetzmäßigkeiten innerhalb des Stahlwerks ist Mirco Götz auf der Spur und bringt seine künstlerische Analyse in einer Viererserie zum Ausdruck.

Johannes Maurer schließlich zeigt sich erdrückt vom riesenhaften Industriekomplex und drückt dies sowie die Monotonie der Arbeitsprozesse in Collagen aus, die Menschen als gesichtslose Schemen zeigen. Klänge aus den Produktionsprozessen des Hüttenwerkes erklingen in Jens-Peter Fuhses Installation aus drei Stahlrohren, wenn der Betrachter eingreift.

IRMGARD BERNRIEDER
Ausstellungseröffnung am Sonntag, 24. April, 11.30 Uhr; Finissage am 24. Juli.

Kult, Ausgabe 2005 - Apr / Mai

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