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Rüdiger Eichholtz und Melanie Rudolph im Fördermaschinenhaus Foto: Ulla Michels
von Gabi Gies
Baustelle gucken erlaubt
Die Düsseldorfer Künstlerin Melanie Rudolph zeigt auf Schacht IV, dass man auf Schleifpapier auch wunderbar malen kann
Moers. Eine halb abgerissene
Fassade, eine Palette mit Mauersteinen,
Baucontainer,
Sandhaufen: Wenn Melanie
Rudolph zu Pinsel oder Stift
greift, entstehen Bilder von
eigentümlicher Schönheit.
"Ich male gerne das, was gemeinhin
als nicht schön gilt,
das, was erst auf den zweiten
Blick ästhetisch wirkt." Ihre
künstlerische Sicht auf verlassene
Industriegebäude und
Baustellen ist ab Sonntag, 29.
April, im Fördermaschinenhaus
auf Schacht IV zu sehen.
Für die Düsseldorfer Lüpertz-
Schülerin verkörpern
ihre Motive Zeitgefühl und
ständigen Wandel - um so
punktgenauer ist somit die
Landung dieser Ausstellung
im Industriedenkmal Schacht
IV. Rüdiger Eichholtz, der für
den Grafschafter Museumsund
Geschichtsverein bereits
die achte Ausstellung in Folge
in den alten Mauern kuratiert
und die Arbeiten von Melanie
Rudolph kennt, weiß um die
Wirkung.
Malen auf
Schleifpapier
Trist grau in grau sind die
Bilder mitnichten, "Containerhäuschen
und Dixieklos
sind doch auch bunt", sagt die
27-Jährige. Nicht nur bei den
Motiven, auch beim Material
greift Rudolph auf die Industrie-
und Bauwelt zurück. Sie
experimentiert mit Malerei auf
Schleifpapier, benutzt alte
LKW-Planen, gebraucht Industrie-
Marker und Krepp-
Band als Werkzeuge.
"Schleifpapier verhält sich
völlig anders als normales
Papier. Je nach Körnung ist das
Ergebnis mit der Farbe immer
anders", so Melanie Rudolph.
Und weil es kein Schleifpapier
in Übergrößen gibt, bastelt sie
sich die großen Formate
selbst, in dem sie die Leinwände
einsandet.
"All das sind Materialien,
die wunderbar zu meinem
Thema passen." Alltägliches
ist ihr Thema, vor allem Alltägliches
"in Bau". Das, was jeder
sieht und wahrnimmt, ohne
genauer hinzuschauen. Melanie
Rudolph schaut genau hin
und weckt mit ihren Bildern
Neugier. Das Alte geht, Neues
kommt. Festgehalten wird der
Moment. Nicht dokumentarisch,
sondern erzählerisch
bunt. Titel tragen Rudolphs
Bilder nicht. Ihre Kunst ist für
sie gleichermaßen Baustelle.
Experimentell und immer im
Wandel.
Über Mangel an Motiven
klagt Melanie Rudolph nicht.
Ihre Heimatstadt Düsseldorf
sei derzeit sowieso eine einzige
Baustelle, sagt sie. Und ist
wahrscheinlich die einzige
Düsseldorferin, die sich darüber
aufrichtig freuen kann...
WAZ, 27.04.2012
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