RP Online, 26.06.2022, Kamp-Lintfort
Eine „Kathedrale des Windes“ auf der Halde | Kunstinstallation in Neukirchen-Vluyn
Neukirchen-Vluyn Die Installtion von Jens Jörg Meyer im „Hallenhaus“ auf der Halde Norddeutschland ist Teil des Projekts „Land der Flunen“. Gefeiert wurde sie am Samstag mit Meditation, einem Kozert und Videoprojektionen.
Von Olaf Reifegerste
„Die 39 Stufen“ heißt ein Hitchcock-Thriller aus dem Jahr 1935 nach dem gleichnamigen Roman von John Buchan. Um auf das Plateau der Halde Norddeutschland in Neukirchen-Vluyn zu gelangen, müssen die Besucherinnen und Besucher jedoch die fast zehnfache Anzahl an Stufen auf sich nehmen: genau 359 nämlich. Doch diese zu gehen, lohnt sich – einmal oben angekommen – allein vom Ausblick her allemal. An diesem Samstag gab es „oben“ allerdings noch mehr zu sehen und zu erleben.
Die Stadt Neukirchen-Vluyn und der Verein Kulturprojekte Niederrhein von Rüdiger Eichholtz haben das Projekt „Land der Flunen“ auf die Beine gestellt. Das besteht aus den beiden Großinstallationen „Flunen – eine Gewässergrafik“ von Sabine Schellhorn im städtischen Rathaus und „Kathedrale des Windes“ von Jens Jörg Meyer im „Hallenhaus“ auf der Halde Norddeutschland. Auf der Halde kamen neben der Installation noch eine Meditation, ein Konzert und eine Video-Projektion hinzu
Das Projekt „Land der Flunen – Fäden der Vergangenheit – eine Kreativitätswerkstatt zur gemeinsamen Identifikationsfindung“ ist vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert worden. Gestartet wurde es bereits 2020. Doch seinen Abschluss findet es pandemiebedingt erst jetzt mit der Ausstellung „Flachsig und haarig – Fäden der Erinnerung“ im Museum Neukirchen-Vluyn und den besagten Großinstallationen. Bis September noch sind die Ausstellung und die Installationen zu besichtigen.
Die Einführungen zu beiden Installationen hielt die Kuratorin Ariane Hackstein. Die „Kathedrale des Windes“ setze das „Hallenhaus“ auf der bis zu 102 Meter hohen Halde Norddeutschland, ein von der Rotterdamer Künstlergruppe „Observatorium“ im Jahr 2006 geschaffenes Kunstwerk, neu in Szene, sagte sie. Mit Tüchern verleihe der in Hamburg geborene und heute in Essen lebende Künstler Jens Jörg Meyer dem Stahl-Skelett eine neue Anmutung. Er verwandelt die Landmarke vom „Hallenhaus“, die passenderweise seit Kurzem den Beinamen „Die Erhabene“ trägt, in eine dreischiffige, sakrale bis spirituelle Architektur. Dergestalt entsteht durch Kunst in Kunst eine Art von „Transformation der Transformation“. Anschließend fand eine sehr gut besuchte einstündige Meditation auf dem Thingplatz der Halde durch den ortsansässigen „Kensho Fitnessland“-Betreiber statt. Meditation und Spiritualität ergänzten sich somit an diesem Ort hervorragend. Schon mit dabei war das später noch einmal in Form eines eigenen Konzertes auftretende internationale Quintett um die Pianistin Olga Konkova. Mit ihr, dem Saxophonisten Gisle Johansen, dem Kontrabassisten Nikolai Olhansky, dem Gitarristen Silvan Joray und dem Schlagzeuger Frederik Villmow ging die Formation erstmals in dieser Konstellation auf Tour. Insgesamt sechs Eigenkompositionen feinsten Jazzes boten die Musiker dem Publikum als „sinnliches Hörfutter“.
Begleitet vom Saxophonisten und dem Kontrabassisten fand mit einbrechender Dunkelheit inmitten der aus 83 weißen Segeltuchelementen bestehenden „Hallenhaus“-Installation eine jeweils fünfzehn Minuten dauernde, sich stets wiederholende Video-Projektion weiterer Arbeiten des Künstlers Jens Jörg Meyer als Finale statt.