NRZ, 20.07.2022, Kamp-Lintfort
Es ist weiter hart“: So ergeht es der Kultur im Kreis Wesel
KREIS WESEL. Zwar scheint wieder alles möglich, doch Veranstalter im Kreis Wesel bleiben skeptisch. Die Pandemie die Szene nachhaltig verändert, heißt es.
Susanne Zimmermann
Alles wieder auf Start? Wer sich in der Veranstaltungsszene umblickt, könnte darauf kommen. Menschen wollen raus, Musik, Comedy und alles das genießen, was Genuss und Geselligkeit bietet – die verordnete soziale Distanz zumindest im Sommer mal vergessen. Wir haben einige Möglichkeiten dazu in den verbliebenen Sommerferien zusammengestellt. Doch wie sehen die Kulturschaffenden die Situation – und wie schätzen sie die Perspektiven ein? Weiter navigieren auf Sichtweite oder doch schon etwas wie Planungssicherheit?
Karin Nienhaus, Chefin des Scala Kulturspielhauses in Wesel, hat ihr Haus mit viel Kreativität über die vergangenen zwei Jahre gebracht. Und mit enormer Unterstützung derjenigen, die das Scala nicht eingehen sehen wollten. „Es ist weiter hart“, sagt sie mit Blick auf die aktuelle Situation. „Die Leute kaufen aus Unsicherheit keine Karten im Voraus.“ Viele Veranstaltungen seien nur mit Fördermitteln zu stemmen. „Wir wollen wieder die schönen Veranstaltungsformate angehen, aber langsam.“
Kulturinitiative Schwarzer Adler: Programm steht bis Herbst
Noch mal ein komplettes Herbstprogramm auf die Beine stellen und durchorganisieren, nur um die Abende dann wieder umlegen zu müssen, das sei unschön, „es gibt auch schnell Probleme mit den Agenturen“, sagt sie. Ohnehin arbeite sie gern mit den Künstlern direkt. Im plüschigen alten Weseler Kinosaal des Scala wird das Herbstprogramm wohl eher spontan angegangen.
Anders sieht das im Schwarzen Adler in Rheinberg aus, der von der Kulturinitiative Schwarzer Adler in Vierbaum getragen wird: Das Programm steht bis in den Herbst und Winter hinein, Karten sind im Netz bereits zu haben. Für Henrik Freischlader beispielsweise, der am 2. Dezember in der ehemaligen Poststation gastieren soll, und Kim Merz am 4. November.
Verein Kulturprojekte Niederrhein: Ältere Besucher bleiben weg
Rüdiger Eichholtz vom Verein Kulturprojekte Niederrhein denkt, dass die Pandemie die Szene nachhaltig verändert hat. „Wir haben besonnen angefangen mit viel Vorplanung“, erklärt er. Dann, mit einem Schlag, sei im Sommer alles auf einmal losgegangen. Die Vielzahl der Veranstaltungen mache die Sache eher schwieriger, „eine Planungssicherheit gibt es nicht mehr“.
Er hat festgestellt: „Die jungen Leute gehen überall hin, aber viele Ältere, das klassische Publikum für Jazzkonzerte beispielsweise, bleiben indoor weg.“ Mindestens die Hälfte fehle.
Viele kleinere Veranstalter, Gastronomen beispielsweise, die hin und wieder auch Kultur angeboten haben, hätten aufgegeben oder ihr Angebot deutlich reduziert, etliche stünden auf der Kippe, bedauert Eichholtz.
Bald starten die Höfefestivals - Konzerte unter freiem Himmel
Der Verein Kulturprojekte Niederrhein mache weiter, aber: „Man muss die Dinge real sehen. Kulturmittel sind an Nachhaltigkeit gekoppelt.“ Zuschüsse für ein Konzert, das 15 Leute besuchen und für das noch ein Flügel herangeschafft werden muss – das sei nicht nachhaltig. „Wir müssen einige Formate straffen, die Zeiten der engen kleinen Räume sind vorbei.“ Nach der Pandemie werde Kultur sich mehr draußen abspielen, neue Orte für sich entdecken. Dieser Trend bleibe.
Wie so ein Konzept mit Leben gefüllt werden kann, zeigt der Verein: „Jetzt starten die Hofkonzerte unter freiem Himmel, da wird mehr los sein“, hofft Eichholtz. Zum Auftakt des Höfefestivals agiert The Jakob Maz Projekt: am 11. August in Schacht IV Moers, am 12. in der Orangerie Kloster Kamp, am 13. beim Schirrhof-Festival Kamp-Lintfort und am 14. auf dem Wolfskuhllenhof in Rheinberg. Viele Veranstaltungsorte, und alle unter freiem Himmel.